Archiv für den Monat: Juli 2015

Originalton Kaffeehaus

Nun ist es wissenschaftlich nachgewiesen: Schreiben im Café fördert die Kreativität! Nicht dass ich (und viele Schreiber vor und mit mir) es nicht längst gewusst hätten. Aber nun wurde mir auch erklärt, woran das eigentlich liegt.
Wissenschaftler der Universität Illinois haben nämlich herausgefunden, dass sich ein Geräuschpegel zwischen 50 dB und 70 dB förderlich auf die Kreativität auswirkt. Lauter stört, leiser ist zwar gut für die Konzentrationsfähigkeit, tut aber nichts für die Kreativität.
Auf der Website coffitivity.com werden kreativitätsfördernde Hintergrundgeräusche gratis angeboten. Beispielsweise „Morning Murmur“ oder das leise Stimmengewirr einer Uni-Caféteria. „Brazil Bistro“ und „Texas Teahouse“ kosten extra. – Wenn das Wetter also mal so gar nicht einladend ist oder man aus anderen Gründen nicht aus dem Haus gehen kann oder mag, hat man so dennoch den erwünschten anregenden Geräuschteppich um sich. Ziemlich genial, oder?
Am schönsten ist und bleibt es aber im Café. Hier hab ich das Gesamtpaket. Sehen, hören, riechen und schmecken. Käsekuchen, beispielsweise. Mit ganz vielen Rosinen drin. Jetzt.

Glücklich

Diese Woche ist fast wie Urlaub – zwei Projekte haben sich auf Ende Juni verschoben – schön, dass auch manche Kunden ihre Deadlines nicht einhalten. Noch schöner, dass die sonst so vielbeschäftigte Schreiberin mal Zeit für lange aufgeschobene Dinge hat. Heute war es ein Routine-Arztbesuch, der mich nach Findorff geführt hat. Und da nutze ich doch die Gelegenheit, ein bißchen durch die Straßen dieser Gegend zu schlendern, in der ich mal für viele Jahre gewohnt habe.

Und nun sitze ich in einem Café mit dem schönen Namen „Feliz“, glücklich also, am Findorffmarkt. Hier bin ich sehr, sehr gern. Schon allein deshalb, weil es Bagel gibt, mit Lachs und Frischkäse (my favorite) und natürlich noch mindestens sieben andere Sorten. Außerdem einen günstigen Mittagstisch aus regionalen Zutaten und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung und so. Zu schade, dass ich grade gar keinen Hunger habe. Und ich liebe die Tapete rechts vom Tresen! Meterhohe rotweiße Papageientulpen sind drauf, die Blütenblätter so weit geöffnet, dass man sie auf den ersten Blick für Lilien halten könnte. Die „brand eins“ im Zeitschriftenregal, auch super. Von meinem Platz aus, über meine große Kirschsaftschorle hinweg, entdecke ich, dass der Bücherbus der Stadtbibliothek noch immer, wie schon vor 20 Jahren, am Freitagnachmittag auf dem Markt steht. Das freut mich irgendwie und ich hoffe, dass er dort auch besucht wird. Die Bibliotheken in den Stadtteilen sind ja in den vergangenen Jahren immer weniger geworden. Es gab zum Beispiel mal eine große Filiale in der Neustadt und eine kleinere im Steintor. Beide geschlossen, schon vor Jahren. Und da ich gerade dabei bin möchte ich die Gelegenheit nutzen, ein Loblied auf die öffentlichen Bibliotheken zu singen. Für 20,- Euro ist es mir erlaubt und sogar erwünscht, durch ein weitläufiges, mehrstöckiges Gebäude zu wandern und alle Bücher, die dort in den Regalen stehen, zu lesen oder sogar mit nach Hause zu nehmen. Die Zentralbibliothek steht mitten in der Bremer Innenstadt, und man kann dort auch CDs, Filme, Sprachkurse, Spiele und sogar Kunstwerke ausleihen oder in bequemen Sesseln stundenlang Zeitungen und Zeitschriften lesen, wenn man die Zeit dazu hat. Ich empfinde das Konzept „öffentliche Bibliotheken“ als ein großes Stück Lebensqualität. Meinen ersten Bibliotheksausweis hatte ich mit acht. Und mein Sohn hat schon als zweijähriger Steppke in der Kinderabteilung Bilderbücher durchgeblättert.

Ich muss los. Aber ich möchte noch gar nicht. Die brasilianische Musik im Hintergrund macht mir gute Laune und ich habe jetzt doch ein bißchen Hunger. Da ich mich aber sowieso nicht zwischen dem Lachs-Bagel, der Lamm-Tajine und der Erdbeer-Schmand-Torte entscheiden könnte, verschiebe ich das fröhliche Fressen aufs nächste Mal.

Morgen vielleicht.

Harry Rowohlt

Viel Arbeit und eine fiese kleine Sommergrippe – kann man das als Gründe dafür gelten lassen, dass ich es bisher versäumt habe, mich mit ein paar bescheidenen Worten von einem Mann zu verabschieden, der am 15. Juni viel zu früh diese Welt verlassen hat? Nun, ihm wird es nichts ausmachen, und ich möchte auf gar keinen Fall versäumen, mich vor dem Schriftsteller, Kolumnisten, Übersetzer und Schauspieler Harry Rowohlt zu verneigen. Ich habe ihn bewundert und gern gehabt. Bewundert habe ich vor allem den begnadeten Übersetzer (das „begnadet“ würde er vermutlich mit einem spöttischen Schnauben quittieren), dem es es stets gelungen ist, ganz nah an der Individualität des Originaltextes zu bleiben und jeder Übersetzung doch immer eine Prise Harry Rowohlt mitzugeben. Seine Übersetzungen von Autoren wie David Sedaris und Flann O’Brian sind mir ein unerreichbares Vorbild. „Pu der Bär“ mochte ich auch in der alten Übersetzung, die noch in meiner Kindheit auf dem Markt war, aber die von H. R. übersetzten und vor allem selbst gelesenen Hörbücher kann ich gar nicht oft genug hören.
Gemocht habe ich ihn, weil er gut erzählen und saufen konnte. Legendär seine Lesungen, in denen er sein Publikum „unter den Tisch gelesen“ hat und auch nach vielen Bieren und mindestens einer halben Flasche Whiskey keine Anzeichen von Ermüdung oder Trunkenheit zeigte. Bei zwei davon durfte ich in Bremen dabei sein, und einmal habe ich den letzten Bus verpasst, weil das Lesen und Anekdoten erzählen erst weit nach Mitternacht (auf mildes Drängen des Veranstalters hin) ein Ende fand.
Er war sich auch nicht zu schade, viele Jahre lang den „Penner Harry“ in der „Lindenstraße“ zu geben. Wahrscheinlich hatte er dadurch jede Menge Fans, die nie ein Wort von ihm gelesen hatten, und das ist ja nix Schlimmes. Wenn man Lindenstraßen-Harry ein Getränk ausgab (und nicht nur dann) ließ er einen bereitwillig an seiner Lebensweisheit teilhaben. Säße er jetzt bei mir am Tisch (der heute auf der Terasse des Café „Überblick“ an der Weser steht – 25 Grad schon am Morgen, eine laue Brise weht vom Wasser her, die Trauerweiden rauschen – manchmal ist doch das Schreiberleben ganz wundervoll) – ich würde ihm gern ein großes Bier spendieren.
Zum Abschied.