Archiv für den Monat: Oktober 2015

Greystones / Irland

Ich möchte bitte ab heute hier wohnen. Den Rest meines Lebens will ich hier verbringen oder wenigstens ein paar Monate. Weil ich sowieso am liebsten am Meer bin, das hier vor der Türe rauscht und heute so blau aussieht wie die Hose vom kleinen Maulwurf, und wegen dieses Cafés hier, in das es mich nach einem 6-km-Marsch längs der Klippen, von Bray nach Greystone, verschlagen hat. Viermal Frühstück mit Pulverkaffee – jetzt gelüstet es mich nach einem korrekten Café Latte.
Nun ja. Dies hier ist Irland. Nicht gerade berühmt für guten Kaffee. Dieser schmeckt okay, ist aber etwas schwach auf der Brust. Jedoch – das Ambiente entschädigt mich. Nichts Besonderes, eigentlich, der übliche Lärm von Kaffeemaschine und Menschen. In meinem Sessel sitzt es sich bequem, alles prima. Mehr erwarte ich von so einer Kaffeekette ja nicht. Aber was mich wirklich begeistert, sind die Gäste. Schulmädchen mit karierten Faltenröcken und Zahnspangen, die allen Ernstes ein Kännchen Tee bestellt haben. Ein grauhaariger Mann liest die Zeitung. Schräg gegenüber Oma und ein Enkel, der unbedingt ein Sandwich wollte, das er sich nun aber zu essen weigert. Die Oma trägt es mit Fassung und isst es einfach selber. Am Nachbartisch sitzt eine zarte alte Dame mit weißen Löckchen, beigefarbener Fleecejacke und Brille. Rote Bäckchen und rosa Lippenstift – gewagt. Sie ist mit einem Kreuzworträtsel beschäftigt, beobachtet aber gleichzeitig alles um sie herum mit neugieriger Aufmerksamkeit.
Was noch? Zwei junge Frauen mit je einem zappeligen Kleinkind, zwei Männer um die Fünfzig in ernsthaftem Gespräch (Arbeit? Rugby?). Das in allen Cafés der Welt vorhandene Paar, das sich schweigend und mürrisch gegenübersitzt. – Der Barista hat einen sehenswürdigen Vollbart, und hinten auf seinem Hemd steht – jetzt kommt’s! – BARISTA. Toll. Schilder auf den Tischen verkünden: „Our baristas are only perfectly happy when you are“. Das wollen wir mal in ihrem Interesse nicht hoffen. Ein kleines Mädchen mit Zopf und Schuluniform packt schon mal sein Schreibheft und das Stiftemäppchen aus, während seine Mutter noch für Kaffee und Kakao in der Schlange steht. Mir scheint, die Kleine hat auch bereits entdeckt, wie wunderbar es sich im Café schreiben lässt. Auch wenn es nur die Englischhausaufgaben für morgen sind.
Ich möchte hier leben, weil ich dann jeden Tag in dieses Café kommen könnte. Statt dessen werde ich morgen nach Hause fliegen. Nicht schlimm, denn es gibt sicher noch viele Cafés zu entdecken auf der Welt, überall.

Museumscafé

Mein erster Tag in Dublin. Bin gestern Abend angekommen und habe meine glückliche Landung mit einem Chicken-and-Ham-Pie und einem Pint Guinness in einem Vorort-Pub gefeiert. Heute bin ich nun seit fünf Stunden in „Dublins fair city, where the girls are so pretty“  unterwegs. An der Molly-Malone-Statue werde ich auch noch vorbeischauen und Hallo sagen – aber ich schweife ab.

Viiiele Kilometer bin ich, wie gesagt, schon gelaufen, habe Parks und Buchläden bestaunt, ein kleines Museum über Dublins Geschichte (spannendes Sammelsurium von Exponaten aus mehr als 100 Jahren) angeschaut, Scones und Shortbread bei Marks & Spencer gekauft und bin dann noch mehr gelaufen. Dann aber schrien meine Füße nach einer Pause und der Rest von mir nach Kaffee. Da ich mich gerade in der Nähe des Archäologiemuseums befand, trat ich ein. In viele Museen von Dublin kommt man umsonst rein. Ausgebuddelte Speerspitzen und keltische Tonscherben finde ich jetzt nicht sooo spannend. Aber ich habe die besten Erfahrungen mit Museumscafés. Ein solches war auch hier nicht schwer zu finden. Die Preise für Sandwiches und Salate fand ich etwas hoch (mein Reisebudget ist beschränkt), aber ich habe mir einen Milchkaffee (mit dem man allerdings keine Toten aufwecken kann) und eine Flasche Sprudelwasser gegönnt. Dazu esse ich jetzt heimlich die M&S-Kekse.

Dieser Raum erfreut Auge und Herz mit einem munteren Stilmix. Eine geschnitzte Flügeltür mit blau-goldenen Ornamenten am Rahmen empfängt die kaffeedurstigen Museumsbesucher, der Boden ist mit bunten Mosaiken belegt, sehr hübsch. Die braunen Lederstühle sind nicht schön, dafür aber bequem. Von der Decke hängt ein Kristallleuchter mit Energiesparlämpchen, deren schwaches Licht von einem modernen Deckenleuchtensystem ergänzt wird. Das Beste aber sind die Wachstuchtischdecken mit lindgrünem 70er-Jahre-Muster. Nein, nicht wahr: Die Kuchen in der Vitrine sind bestimmt noch  viel, viel besser. Aber ich beschränke mich aufs Anschauen. Studiere den Reiseführer, schreibe und möchte meinen Bericht damit abschließen, dass ich im Museumscafé des Ryksmuseums in Amsterdam mal den besten Apfelkuchen der Welt bekommen habe, und in Wien im Kunsthistorischen Museum einen Marillenstrudel zum Niederknien. Geschrieben habe ich dort nicht. Ich war jeweils mit einem Mann dort. Hier bin ich allein und ohne Kuchen und kann also ungestört ein Loblied auf die Museumscafés dieser Welt singen.

Diesbezügliche Tipps für meine nächsten Reisen sind mir übrigens sehr willkommen!