Harry Rowohlt

Viel Arbeit und eine fiese kleine Sommergrippe – kann man das als Gründe dafür gelten lassen, dass ich es bisher versäumt habe, mich mit ein paar bescheidenen Worten von einem Mann zu verabschieden, der am 15. Juni viel zu früh diese Welt verlassen hat? Nun, ihm wird es nichts ausmachen, und ich möchte auf gar keinen Fall versäumen, mich vor dem Schriftsteller, Kolumnisten, Übersetzer und Schauspieler Harry Rowohlt zu verneigen. Ich habe ihn bewundert und gern gehabt. Bewundert habe ich vor allem den begnadeten Übersetzer (das „begnadet“ würde er vermutlich mit einem spöttischen Schnauben quittieren), dem es es stets gelungen ist, ganz nah an der Individualität des Originaltextes zu bleiben und jeder Übersetzung doch immer eine Prise Harry Rowohlt mitzugeben. Seine Übersetzungen von Autoren wie David Sedaris und Flann O’Brian sind mir ein unerreichbares Vorbild. „Pu der Bär“ mochte ich auch in der alten Übersetzung, die noch in meiner Kindheit auf dem Markt war, aber die von H. R. übersetzten und vor allem selbst gelesenen Hörbücher kann ich gar nicht oft genug hören.
Gemocht habe ich ihn, weil er gut erzählen und saufen konnte. Legendär seine Lesungen, in denen er sein Publikum „unter den Tisch gelesen“ hat und auch nach vielen Bieren und mindestens einer halben Flasche Whiskey keine Anzeichen von Ermüdung oder Trunkenheit zeigte. Bei zwei davon durfte ich in Bremen dabei sein, und einmal habe ich den letzten Bus verpasst, weil das Lesen und Anekdoten erzählen erst weit nach Mitternacht (auf mildes Drängen des Veranstalters hin) ein Ende fand.
Er war sich auch nicht zu schade, viele Jahre lang den „Penner Harry“ in der „Lindenstraße“ zu geben. Wahrscheinlich hatte er dadurch jede Menge Fans, die nie ein Wort von ihm gelesen hatten, und das ist ja nix Schlimmes. Wenn man Lindenstraßen-Harry ein Getränk ausgab (und nicht nur dann) ließ er einen bereitwillig an seiner Lebensweisheit teilhaben. Säße er jetzt bei mir am Tisch (der heute auf der Terasse des Café „Überblick“ an der Weser steht – 25 Grad schon am Morgen, eine laue Brise weht vom Wasser her, die Trauerweiden rauschen – manchmal ist doch das Schreiberleben ganz wundervoll) – ich würde ihm gern ein großes Bier spendieren.
Zum Abschied.

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