Greystones / Irland

Ich möchte bitte ab heute hier wohnen. Den Rest meines Lebens will ich hier verbringen oder wenigstens ein paar Monate. Weil ich sowieso am liebsten am Meer bin, das hier vor der Türe rauscht und heute so blau aussieht wie die Hose vom kleinen Maulwurf, und wegen dieses Cafés hier, in das es mich nach einem 6-km-Marsch längs der Klippen, von Bray nach Greystone, verschlagen hat. Viermal Frühstück mit Pulverkaffee – jetzt gelüstet es mich nach einem korrekten Café Latte.
Nun ja. Dies hier ist Irland. Nicht gerade berühmt für guten Kaffee. Dieser schmeckt okay, ist aber etwas schwach auf der Brust. Jedoch – das Ambiente entschädigt mich. Nichts Besonderes, eigentlich, der übliche Lärm von Kaffeemaschine und Menschen. In meinem Sessel sitzt es sich bequem, alles prima. Mehr erwarte ich von so einer Kaffeekette ja nicht. Aber was mich wirklich begeistert, sind die Gäste. Schulmädchen mit karierten Faltenröcken und Zahnspangen, die allen Ernstes ein Kännchen Tee bestellt haben. Ein grauhaariger Mann liest die Zeitung. Schräg gegenüber Oma und ein Enkel, der unbedingt ein Sandwich wollte, das er sich nun aber zu essen weigert. Die Oma trägt es mit Fassung und isst es einfach selber. Am Nachbartisch sitzt eine zarte alte Dame mit weißen Löckchen, beigefarbener Fleecejacke und Brille. Rote Bäckchen und rosa Lippenstift – gewagt. Sie ist mit einem Kreuzworträtsel beschäftigt, beobachtet aber gleichzeitig alles um sie herum mit neugieriger Aufmerksamkeit.
Was noch? Zwei junge Frauen mit je einem zappeligen Kleinkind, zwei Männer um die Fünfzig in ernsthaftem Gespräch (Arbeit? Rugby?). Das in allen Cafés der Welt vorhandene Paar, das sich schweigend und mürrisch gegenübersitzt. – Der Barista hat einen sehenswürdigen Vollbart, und hinten auf seinem Hemd steht – jetzt kommt’s! – BARISTA. Toll. Schilder auf den Tischen verkünden: „Our baristas are only perfectly happy when you are“. Das wollen wir mal in ihrem Interesse nicht hoffen. Ein kleines Mädchen mit Zopf und Schuluniform packt schon mal sein Schreibheft und das Stiftemäppchen aus, während seine Mutter noch für Kaffee und Kakao in der Schlange steht. Mir scheint, die Kleine hat auch bereits entdeckt, wie wunderbar es sich im Café schreiben lässt. Auch wenn es nur die Englischhausaufgaben für morgen sind.
Ich möchte hier leben, weil ich dann jeden Tag in dieses Café kommen könnte. Statt dessen werde ich morgen nach Hause fliegen. Nicht schlimm, denn es gibt sicher noch viele Cafés zu entdecken auf der Welt, überall.

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