Neulich in Berlin war ich mal wieder in meinem absolut weltliebsten Schreib- und Frühstückscafé: Das „Café BilderBuch“ in der Akazienstraße, Berlin Schöneberg.
Wenn man vorn ins Café reinspaziert und sich nicht auskennt, sieht man: Ein kleines Straßenbistro mit angenehmer Athmosphäre und einem großen Schaufenster zur Straße. Die Plätze mit dem Straßenblick sind leider besetzt. Ein Glück, denn so lässt man den Blick suchend weiterschweifen und entdeckt eine Art Durchgang. Kann sein, dass man auf die Idee kommt, den gutaussehenden und zuvorkommend lächelnden Kellner, der schräg gegenüber der Kuchenvitrine auf einem Barhocker sitzt, zu fragen, ob es hinten auch noch Tische gibt. Dann würde der nämlich nicken und antworten: „Aber sicher – jede Menge!“ und man schritte beherzt und neugierig durch den langen, etwas düsteren Korridor.
Aber dann! Es tut sich einem ein Raum auf, wie man ihn in Berlin gemeinhin „Berliner Zimmer“ nennt, wegen des Fensters in der Ecke zum Hof raus. Nur viel größer. Vielleicht waren das mal mehrere Räume, und es wurden Wände rausgerissen. Dicke Pfeiler, teilweise mit dekorativen Mauerresten, deuten darauf hin. Und was als nächstes ins Auge fällt, sind die wandhohen Bücherregale. Bücher! Bücher! Zu hunderten! Vor dem einen, auf einem Podest, ein schwarzer Flügel. Mit großem vierarmigen Silberleuchter drauf. Das könnte bedeuten, dass hier auch hin und wieder Konzerte stattfinden. Lesungen auch, wie ich der zeitungsähnlich aufgemachten Speise- und Getränkekarte entnehme, und zwar jeden 2. Mittwoch im Monat. Als ich das erste Mal hier war, hämmerte allerdings ein unbeaufsichtigter Zweijähriger auf die Tasten ein, bis sich der Kellner mit forschem Schritt und drohender Miene näherte. Da war dann der junge Vater doch in Sorge um seinen Spross und holte ihn geschwind vom Instrument weg. Meist aber ist es recht ruhig hier.
Man sitzt auf alten Polstermöbeln unterschiedlicher Formen und Stilepochen. Unter Stehlampen mit Fransenschirmen oder Schwanenhalsleuchten. Die kleinen bräunlichen Aquarelle stammen, so vermute ich, von einem zeitgenössischen Künstler oder/und Stammgast. Zur Latte Macchiato gibts Mozarts Kleine Nachtmusik. Der Marmorkuchen ist sehr zu empfehlen und das Frühstück hat lustige Namen wie „Es war einmal“, „Die kleine Meerjungfrau“ und „Geschichten aus der Molkerei“. Kreativ.
Für mich war das hier eine echte Entdeckung. Und die Atmosphäre ist zum Schreiben wie geschaffen. Bücher, wohin das Auge schweift, gedämpftes Licht und klassische Musik. Ich schreibe übrigens wie fast immer mit der Hand. Hier einen Laptop aufzuklappen käme mir auch irgendwie unpassend vor, obwohl vermutlich niemand daran Anstoß nehmen würde. Stift und Block passen einfach besser zum buchenfurnierten runden Ausziehtisch und leicht angestaubten Ausgaben von „Krieg und Frieden“, „Angelique“ und Edgar Wallace. Und irgendwie auch zum Marmorkuchen. Die beiden jungen Studentinnen bei mir am Tisch tauschen sich aus über Prag, Amsterdam und die Männer in ihrem Leben. Auch schön – die Tische sind groß genug, dass nicht zueinander gehörende Menschen durchaus beieinandersitzen können, ohne dass es unangenehm wird, und obwohl man, wenn man möchte, deren Gesprächen zuhören könnte. Mann könnte ja auch weghören…
Würde ich ein Stück links rüberrutschen auf meiner grauen Ledercouch, in Richtung Stehlampe, könnte ich auch ganz gut lesen. Vielleicht mach ich das gleich mal, lasse den Stift sinken und die Caféhausstimmung auf mich wirken, bestelle mir ein Glas Wein und hole mir ein Buch aus dem Regal …