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Neulich im ICE

Neulich saß ich im ICE von Hamburg nach Berlin in einem Großraumwaggon, vertieft in mein Buch. Von hinten nähern sich Stimmen, lautes Palaver offenbar zwischen Mutter und Kind. Als sie neben meinem Sitz ankommen, schimpft das etwa vierjährige, blondgelockte Mädchen:
„Du sollst nicht Blödmann zu mir sagen!“
Interessiert schaue ich mich nach der Mutter um, die so ruppig mit ihrem Töchterchen spricht. Die kommt hinterher (sieht eigentlich ganz sympathisch aus) und sagt:
„Ich habe gesagt: Das ist jetzt blöd, Mann. Nicht Blödmann. Zwei Wörter!!“
Nächstes Mal Komma mitsprechen.

Kann ich …?

Geht das eigentlich nur mir so?

Fast täglich nervt mich aktuell ein TV-Werbespot, in dem ein kleines Mädchen seiner Mutter (ich glaube, sie sind beim Grillen im Garten) laut und fröhlich die Frage stellt: „Mama, kann ich eine Wurst?“ Und die Mutter korrigiert diese sprachliche Verstümmelung nicht etwa, sondern weist nur auf die vegetarische Beschaffenheit des Grillgutes hin. Darauf das Kind: „Kann ich noch mehr keine Wurst?“ Wie niedlich. Die Mutter freut sich über ihr putziges Kind. Aber mir sträuben sich die Nackenhaare.

Meinem Sohn hab ich es natürlich gleich richtig beigebracht, versteht sich. Es kam aber gar nicht so selten vor, dass andere Kinder (und – jetzt halten Sie sich fest – durchaus auch mal der eine oder andere Erwachsene!) mit der Frage um die Ecke kamen: „Kann ich Kekse/ein Bier?“, oder, auch schön: „Kann ich barfuß?“, und dann hatten wir immer viel Spaß daran, fies und klugscheißerisch nachzufragen: „Was möchtest du? Kekse backen? Mir ein Bier ausgeben? Barfuß nach Hause gehen?“ (Im Fall der Wurst würde mir noch eine andere sehr schöne Möglichkeit einfallen, aber das hier ist eine seriöse Seite, da schreib ich sowas nicht.)

Also liebe Kinder, Eltern und wer sonst sich angesprochen fühlt, es ist doch gar nicht so schwer: „Kann ich noch eine Wurst HABEN – bitte?“

NBSP – So bleibt zusammen, was zusammengehört.

Nein, das ist keine neue Partei, kein Virus und auch keine Abkürzung für „Nicht brechender Spargel“. NBSP bedeutet no-break space – auf Deutsch geschütztes Leerzeichen. Seltsamerweise kennen es die wenigsten, dabei ist es ganz ungemein wichtig und nützlich.

Es gibt einfach Dinge auf der Welt, die sollte weder der Mensch noch ein Schreibprogramm trennen. Ernie und Bert, Hammer und Sichel, Erdbeerkuchen mit Sahne: Das gehört einfach zusammen! Und nicht der Ernie ans Ende einer Zeile und der Bert ganz alleine und leise weinend an den Anfang der nächsten. Nein, so etwas muss unbedingt verhindert werden, und dafür gibt es das geschützte Leerzeichen. Wenn Sie  das hinter den Ernie und vor den Bert setzen, kann nichts sie auseinanderbringen. Und das ist auch gut so.

Noch wichtiger ist das Zusammenbleiben bei Angaben wie 50 kmh, 24° Celsius oder § 88 sowie bei Anreden wie Frau Dr. Eva Maria König oder Abkürzungen wie z. B., d. h., i. d. R. Auch hier sollte der Verständlichkeit und dem Textfluss zuliebe nichts auseinandergerissen werden.

Und weil ein geschütztes Leerzeichen so wichtig, so praktisch, so unverzichtbar ist, verrate ich Ihnen jetzt, wie auch Sie es ganz einfach verwenden können: Wenn Sie mit Microsoft Word oder OpenOffice/LibreOffice arbeiten, funktioniert das mit der Tastenkombination Strg + Shift + Leertaste. Ausprobieren, merken!

Großartig, oder?

Was zu beweisen war: Korrekturlesen!

Der erste Monat des Jahres ist vorbei –

mir ist das nur recht, denn der Januar war noch nie so wirklich mein Freund (kalt, dunkel, und die Glühweinstände sind abgebaut). Dass wir nun schon Februar haben, bedeutet allerdings auch: ein Monat weniger, um zu tun, was ich mir für 2016 vorgenommen habe. Aber hey – es bleiben immer noch zehn Monate und 20 Tage. Also noch alles drin.

Meine Mutter sagt bei solchen Gelegenheiten gerne den schönen Satz „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“. Will sagen: Ich (wie vermutlich Millionen andere Menschen) nehme mir viel vor und hoffe das Beste, aber am Ende bin ich eben, wie ich bin und tue, was ich  tun kann und muss, auch wenn mich das geradenwegs „in die Hölle“ transportiert. – Warum schreibe ich das? Weil eine Sache, die ich mir immer wieder vornehme, die ist, mich endlich auch mal selber an das zu halten, was ich anderen Menschen so dringend empfehle.

Beispielsweise, wichtige Texte IMMER auf Fehler zu kontrollieren, bevor ich sie auf irgendeine Art veröffentliche. Am besten ist es, wenn jemand anders draufguckt, aber ZUMINDEST sollte man einmal selber korrekturlesen. Irgendein fieser Fehler versteckt sich immer irgendwo. So auch vor einigen Wochen bei mir. Ja, ihr lest richtig…

Ich schalte in regelmäßigen Abständen eine Anzeige auf bremen.de und biete meine Lektoratsdienste an. Eine, wie ich finde, wohlformulierte, aussagekräftige und ansprechende Anzeige. Beim letzten Mal aber gefiel mir ein Satz nicht mehr und ich nahm eine winzige Änderung vor. Am folgenden Morgen hatte ich bereits drei Antworten auf meine Annonce im Postfach. Wie schön! Oder doch nicht? Denn eine davon hatte folgenden Inhalt: „Hallo, ich habe interessehalber eben die Anzeige überflogen, gefällt mir sehr gut; mir sind nur zwei Tippfehler aufgefallen, was sich vielleicht bei potentiellen Kunden ungünstig auswirken mag. Mit freundlichen Grüßen xxx“. – Wenn ich sage, dass mir beim Lesen das Blut in den Adern gefror, ist das nur ein ganz kleines bisschen übertrieben. Gibt es etwas Peinlicheres für eine Lektorin, als wenn in einer Anzeige, mit der sie sich sozusagen als Heldin der deutschen Sprache anpreist, zwei (ZWEI!!) Fehler gefunden werden? Und ich hatte sie noch nicht mal übersehen – ich hatte einfach den Text vor dem Freischalten nicht nochmals gelesen! Kleine Fehler, winzig geradezu – ein Buchstabe am Anfang eines Wortes war nicht fett, und ich hatte ein überflüssiges „h“ zu löschen vergessen. Aber egal – so etwas darf nicht passieren. Nicht in Anzeigen, nicht in Bewerbungen, Romanexposés, Dissertationen oder Liebesbriefen. Im Beruf, also bei meinen Kunden, ist das für mich vollkommen selbstverständlich. Nur bei meinen eigenen Texten bin ich manchmal etwas zu fix. Aber damit ist es nun vorbei! Und deshalb wiederhole ich hier feierlich und öffentlich meine feste Absicht, mich an das zu halten, was ich meinen Kunden stets ans Herz lege: Lasst eure Texte von jemandem auf Fehler kontrollieren oder lest sie wenigstens selbst ein- oder besser zweimal sorgfältig durch. Hilfe findet ihr hier: http://www.duden.de/

Oder fragt mich. Ich helfe gern.

Bleistifte

Zuerst einmal möchte ich allen ein richtig gutes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr wünschen. Zu meinen persönlichen guten Vorsätzen für 2016 gehört (ganz oben auf der Liste), dass hier in meinem Blog wieder öfter was Neues zu lesen sein wird. Großes Einhornversprechen!

Heute soll es um meine Liebe zu Bleistiften gehen.  Anlass ist ein Artikel in der Zeitschrift FLOW, der sich meinem Lieblingsschreibwerkzeug in aller Ausführlichkeit widmet. Er heißt „Bleistiftliebe“, und ich finde ihn ausgesprochen unterhaltsam und informativ. Außerdem habe ich durch ihn  erfahren,  dass es ein Buch mit dem Titel „Die Kunst einen Bleistift zu spitzen“ gibt, geschrieben von David Rees, und das muss ich mir unbedingt mal besorgen. David Rees lebt in New York, und man kann angeblich stumpfe oder abgebrochene Bleistifte zu ihm schicken, die er dann – von Hand mit dem Messer gespitzt – in einer Hülse zurückschickt. Späne inklusive. Großartig.

Fast jeder hat mit einem Bleistift die ersten Kritzeleien seines Lebens gemacht, und in der Schule haben wir mit einem Bleistift das Schreiben gelernt, noch bevor wir einen Füller in die Hand bekamen. Ein Bleistift schreibt auf vielen Flächen, auch auf Holz und Mauerwerk (kennen Sie die flachen, roten „Zimmermannsbleistifte“?) und funktioniert sogar in der Schwerelosigkeit.

Vielleicht werde ich ab sofort Bleistifte sammeln. Es gibt sie auf der ganzen Welt und sie kosten nicht viel. Noch ein Vorsatz für 2016.

Neulich in Berlin – CaféBilderbuch

Neulich in Berlin war ich mal wieder in meinem absolut weltliebsten Schreib- und Frühstückscafé: Das „Café BilderBuch“ in der Akazienstraße, Berlin Schöneberg.

Wenn man vorn ins Café reinspaziert und sich nicht auskennt, sieht man: Ein kleines Straßenbistro mit angenehmer Athmosphäre und einem großen Schaufenster zur Straße. Die Plätze mit dem Straßenblick sind leider besetzt. Ein Glück, denn so lässt man den Blick suchend weiterschweifen und entdeckt eine Art Durchgang. Kann sein, dass man auf die Idee kommt, den gutaussehenden und zuvorkommend lächelnden Kellner, der schräg gegenüber der Kuchenvitrine auf einem Barhocker sitzt, zu fragen, ob es hinten auch noch Tische gibt. Dann würde der nämlich nicken und antworten: „Aber sicher – jede Menge!“ und man schritte beherzt und neugierig durch den langen, etwas düsteren Korridor.

Aber dann! Es tut sich einem ein Raum auf, wie man ihn in Berlin gemeinhin „Berliner Zimmer“ nennt, wegen des Fensters in der Ecke zum Hof raus. Nur viel größer. Vielleicht waren das mal mehrere Räume, und es wurden Wände rausgerissen. Dicke Pfeiler, teilweise mit dekorativen Mauerresten, deuten darauf hin. Und was als nächstes ins Auge fällt, sind die wandhohen Bücherregale. Bücher! Bücher! Zu hunderten! Vor dem einen, auf einem Podest, ein schwarzer Flügel. Mit großem vierarmigen Silberleuchter drauf. Das könnte bedeuten, dass hier auch hin und wieder Konzerte stattfinden. Lesungen auch, wie ich der zeitungsähnlich aufgemachten Speise- und Getränkekarte entnehme, und zwar jeden 2. Mittwoch im Monat. Als ich das erste Mal hier war, hämmerte allerdings ein unbeaufsichtigter Zweijähriger auf die Tasten ein, bis sich der Kellner mit forschem Schritt und drohender Miene näherte. Da war dann der junge Vater doch in Sorge um seinen Spross und holte ihn geschwind vom Instrument weg. Meist aber ist es recht ruhig hier.

Man sitzt auf alten Polstermöbeln unterschiedlicher Formen und Stilepochen. Unter Stehlampen mit Fransenschirmen oder Schwanenhalsleuchten. Die kleinen bräunlichen Aquarelle stammen, so vermute ich, von einem zeitgenössischen Künstler oder/und Stammgast. Zur Latte Macchiato gibts Mozarts Kleine Nachtmusik. Der Marmorkuchen ist sehr zu empfehlen und das Frühstück hat lustige Namen wie „Es war einmal“, „Die kleine Meerjungfrau“ und „Geschichten aus der Molkerei“. Kreativ.

Für mich war das hier eine echte Entdeckung. Und die Atmosphäre ist zum Schreiben wie geschaffen. Bücher, wohin das Auge schweift, gedämpftes Licht und klassische Musik. Ich schreibe übrigens wie fast immer mit der Hand. Hier einen Laptop aufzuklappen käme mir auch irgendwie unpassend vor, obwohl vermutlich niemand daran Anstoß nehmen würde. Stift und Block passen einfach besser zum buchenfurnierten runden Ausziehtisch und leicht angestaubten Ausgaben von „Krieg und Frieden“, „Angelique“ und Edgar Wallace. Und irgendwie auch zum Marmorkuchen. Die beiden jungen Studentinnen bei mir am Tisch tauschen sich aus über Prag, Amsterdam und die Männer in ihrem Leben. Auch schön – die Tische sind groß genug, dass nicht zueinander gehörende Menschen durchaus beieinandersitzen können, ohne dass es unangenehm wird, und obwohl man, wenn man möchte, deren Gesprächen zuhören könnte. Mann könnte ja auch weghören…

Würde ich ein Stück links rüberrutschen auf meiner grauen Ledercouch, in Richtung Stehlampe, könnte ich auch ganz gut lesen. Vielleicht mach ich das gleich mal, lasse den Stift sinken und die Caféhausstimmung auf mich wirken, bestelle mir ein Glas Wein und hole mir ein Buch aus dem Regal …

Harry Rowohlt

Viel Arbeit und eine fiese kleine Sommergrippe – kann man das als Gründe dafür gelten lassen, dass ich es bisher versäumt habe, mich mit ein paar bescheidenen Worten von einem Mann zu verabschieden, der am 15. Juni viel zu früh diese Welt verlassen hat? Nun, ihm wird es nichts ausmachen, und ich möchte auf gar keinen Fall versäumen, mich vor dem Schriftsteller, Kolumnisten, Übersetzer und Schauspieler Harry Rowohlt zu verneigen. Ich habe ihn bewundert und gern gehabt. Bewundert habe ich vor allem den begnadeten Übersetzer (das „begnadet“ würde er vermutlich mit einem spöttischen Schnauben quittieren), dem es es stets gelungen ist, ganz nah an der Individualität des Originaltextes zu bleiben und jeder Übersetzung doch immer eine Prise Harry Rowohlt mitzugeben. Seine Übersetzungen von Autoren wie David Sedaris und Flann O’Brian sind mir ein unerreichbares Vorbild. „Pu der Bär“ mochte ich auch in der alten Übersetzung, die noch in meiner Kindheit auf dem Markt war, aber die von H. R. übersetzten und vor allem selbst gelesenen Hörbücher kann ich gar nicht oft genug hören.
Gemocht habe ich ihn, weil er gut erzählen und saufen konnte. Legendär seine Lesungen, in denen er sein Publikum „unter den Tisch gelesen“ hat und auch nach vielen Bieren und mindestens einer halben Flasche Whiskey keine Anzeichen von Ermüdung oder Trunkenheit zeigte. Bei zwei davon durfte ich in Bremen dabei sein, und einmal habe ich den letzten Bus verpasst, weil das Lesen und Anekdoten erzählen erst weit nach Mitternacht (auf mildes Drängen des Veranstalters hin) ein Ende fand.
Er war sich auch nicht zu schade, viele Jahre lang den „Penner Harry“ in der „Lindenstraße“ zu geben. Wahrscheinlich hatte er dadurch jede Menge Fans, die nie ein Wort von ihm gelesen hatten, und das ist ja nix Schlimmes. Wenn man Lindenstraßen-Harry ein Getränk ausgab (und nicht nur dann) ließ er einen bereitwillig an seiner Lebensweisheit teilhaben. Säße er jetzt bei mir am Tisch (der heute auf der Terasse des Café „Überblick“ an der Weser steht – 25 Grad schon am Morgen, eine laue Brise weht vom Wasser her, die Trauerweiden rauschen – manchmal ist doch das Schreiberleben ganz wundervoll) – ich würde ihm gern ein großes Bier spendieren.
Zum Abschied.

Allein – Alleine

Heute mal nicht im Café. In Bremen regnet es, ich sitze in meinem Büro fest. Und habe etwas Zeit, einer Frage nachzugehen, die mich seit einigen Tagen beschäftigt, nämlich nachdem ich eine Dissertation lektoriert habe, in der immer wieder das Wort alleine auftauchte. Alleinesein, alleine leben, etwas alleine unternehmen.
Ich habe dieses alleine fast jedes Mal korrigiert. Vor allem, weil es so „umgangssprachlich“ klingt, im Gegensatz zu allein. Die Word-Autokorrektur fand das Wort Alleinesein falsch und nahm die blaue Unterkringelung erst zurück, als ich das e löschte. Aber wie ist das nun wirklich mit allein und alleine?
Einerseits wird alleine ja tatsächlich oft umgangssprachlich verwendet, jedenfalls da, wo ich herkomme. Der Berliner sagt: „Det mach mal alleene“ oder „Verscheißern kann ick mir alleene“. Ein kleines Mädchen protestiert: „Ich kann das alleine!“ oder nimmt sich vor: „Die Kekse esse ich ganz alleine auf.“ Standardsprachlich aber heißt es allein. Alleinsein, Alleinerbe, Alleinstellungsmerkmal. Ich bin so allein. Er fährt allein in den Urlaub. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Die Bedeutung in diesen Fällen ist sowohl einzig, nur, ausschließlich wie auch einzeln, solo, einsam.
Es gibt aber auch noch eine andere Bedeutung, nämlich die von aber, indes, jedoch. „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“ (Goethe, Faust II, erster Teil), oder „Sie wollte ihn aufhalten, allein es war zu spät“. In diesen Fällen wäre alleine ganz falsch. Grammatikalisch ist sonst wohl meist beides richtig. Auch wenn mein Sprachgefühl mir sagt, dass die Bedeutung sehr wohl unterschiedlich ist. Und das muss dann jeder allein entscheiden.